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„Gesundes Arbeiten muss gelernt werden“ – Ein Interview zu Arbeitsschutz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit mit Prof. Martin Schmauder

Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz ist stets im Wandel – schließlich muss er sich den bestehenden Arbeitsbedingungen anpassen. Vor allem mobile Arbeitsformen sowie wachsende Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften stellen die Arbeitssicherheit vor neue Herausforderungen. Digitale Lösungen für das HSQE-Management sind dabei die logische Konsequenz.

Wir haben Prof. Martin Schmauder, Professor für Arbeitswissenschaft an der TU Dresden, zu den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen in den Bereichen Arbeitsschutz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit befragt. Im Interview gibt er einen Einblick, welche Folgen mobiles Arbeiten auf die Arbeitssicherheit in Betrieben hat und wo digitale Lösungen hier ansetzen müssen. Erfahren Sie außerdem, warum die Ressourcensicherung in Unternehmen ausschlaggebend für effektive Nachhaltigkeitsprozesse ist und welche Rolle der Arbeitsschutz in 20 Jahren spielen könnte.

Prof. Martin Schmauder

Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder ist seit 2000 Inhaber der Professur für Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Seit 2006 ist er zudem Direktor des Zentrums für Produktionstechnik und Organisation (CIMTT). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u. a. Arbeitsorganisation, menschengerechte Arbeitsgestaltung, Ergonomie und Human Resource Management. Außerdem ist er Mitglied und Gutachter zahlreicher Fachausschüsse, darunter der wissenschaftliche Beirat des Verbandes für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI). Weiterhin ist er auch Vizepräsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA).

Prof. Martin Schmauder, Professor für Arbeitswissenschaft an der TU Dresden
Prof. Martin Schmauder, Professor für Arbeitswissenschaft an der TU Dresden

Prof. Martin Schmauder

Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder ist seit 2000 Inhaber der Professur für Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Seit 2006 ist er zudem Direktor des Zentrums für Produktionstechnik und Organisation (CIMTT). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u. a. Arbeitsorganisation, menschengerechte Arbeitsgestaltung, Ergonomie und Human Resource Management. Außerdem ist er Mitglied und Gutachter zahlreicher Fachausschüsse, darunter der wissenschaftliche Beirat des Verbandes für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI). Weiterhin ist er auch Vizepräsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA).

Der Status Quo des Arbeitsschutzes

In den letzten Jahren ist viel passiert, ob gesamtgesellschaftlich, in der Wirtschaft oder auch in der Wissenschaft. Auch der Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Unternehmen blieb davon nicht unberührt. Was waren die wesentlichen Herausforderungen für den Arbeitsschutz in den letzten drei Jahren? Welche Beobachtungen haben Sie gemacht?

Wie nicht anders zu erwarten war, kommt jetzt eine Aussage zur Corona-Pandemie. Da hatte zu Beginn der Infektionsschutz einen höheren Stellenwert als der Arbeitsschutz. Es war in Ordnung, dass Menschen unter ungünstigen Bedingungen im Homeoffice gearbeitet haben. Der Arbeitsschutz hat aber schnell reagiert und eine SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung auf den Weg gebracht.

Diese Verordnung wurde durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel konkretisiert. Hier wurden Maßnahmen beschrieben, die Vermutungswirkung auslösen. Das bedeutet: Wenn Unternehmen die Vorgaben so umsetzen, dann haben sie Rechtssicherheit und halten den Stand der Technik ein. Dieser Stand der Technik ist nicht mühsam selbst herauszuarbeiten, sondern wird von einem Expertengremium zusammengetragen.

Wie hat sich der Stellenwert von Arbeitsschutz in Unternehmen verändert?

Wir haben in der Corona-Pandemie tatsächlich gelernt, dass der Arbeitsschutz vor Krankheit schützt. Die Infektionszahlen in den Betrieben waren in der Summe sehr gering, was die Wirksamkeit der Maßnahmen aufzeigt.

Während der Corona-Pandemie ging es nicht mehr primär um die klassischen Arbeitsschutzthemen, aber jede Führungskraft hatte die Aufgabe, Beschäftigte zu schützen. Das war und ist auf jeden Fall ein Leadership-Thema.

Akzeptanz von Arbeitsschutzmaßnahmen in der Belegschaft ist wichtig

Wie schaffen Unternehmen auch innerhalb der Belegschaft Akzeptanz für Arbeitsschutzthemen?

Ich denke, dass die Akzeptanz gar nicht mehr groß geschaffen werden muss. Beschäftigte haben ein Interesse an einem langfristigen „Gesund in die Rente“. Work-Life-Balance ist daher ein wichtiger Begriff geworden. Arbeitsschutz ist also nicht mehr etwas Unbequemes, sondern etwas Nützliches.

Akzeptanz von Arbeitsschutzmaßnahmen in der Belegschaft ist wichtig

Wie schaffen Unternehmen auch innerhalb der Belegschaft Akzeptanz für Arbeitsschutzthemen?

Ich denke, dass die Akzeptanz gar nicht mehr groß geschaffen werden muss. Beschäftigte haben ein Interesse an einem langfristigen „Gesund in die Rente“. Work-Life-Balance ist daher ein wichtiger Begriff geworden. Arbeitsschutz ist also nicht mehr etwas Unbequemes, sondern etwas Nützliches.

Homeoffice und mobile Arbeit gehören längst zum Arbeitsalltag vieler Betriebe. Welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf die Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes?

Es wird in Zukunft sicher viele Betriebsvereinbarungen zu mobiler Arbeit in Form von Homeoffice geben. Die betriebliche Organisation des Arbeitsschutzes ist davon zunächst nicht betroffen, zumindest die gesetzlich geforderte. Jedoch ändert sich die Art und Weise, wie Beschäftigte mit den Themen des Arbeitsschutzes erreicht werden können. Die Online-Unterweisung ist hier das beste Beispiel.

Es geht aber weiter: Wenn die Menschen vermehrt im Homeoffice arbeiten, ist im Betrieb der Platz leer. Das ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Desk-Sharing-Arbeitsplätze werden logischerweise zunehmen. Hier besteht für den Arbeitsschutz die Chance, bei der Planung und Gestaltung mit dabei zu sein.

Arbeitsschutz trifft auf Digitalisierung

Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist in vollem Gange. Das orts- und zeitflexible Arbeiten macht Arbeitsprozesse schwerer einsehbar. Zudem bestimmen digitale Technologien zunehmend den Arbeitsalltag. Arbeitsschutz wird so dynamischer und komplexer. Wie notwendig sind digitale Lösungen im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes?

Zunehmend sind Assistenzsysteme für Produktion und Dienstleistung verfügbar. Da liegt es natürlich nahe, dass auch der betriebliche Arbeitsschutz als innerbetrieblicher Unterstützungsprozess Assistenzsysteme nutzen kann. Eine Verknüpfung von Arbeitsplatz, Arbeitsmittel und den verwendeten Technologien mit den relevanten Informationen des Arbeitsschutzes ist möglich. Ergänzend können von den Beschäftigten relevante Beanspruchungsdaten erfasst werden, wobei natürlich immer der Datenschutz gewährleistet sein muss.

Es gibt viele Software-Lösungen für spezifische Aufgabenbereiche, also bspw. digitale Gefährdungsbeurteilungen oder elektronische Unterweisungen. In welchen Bereichen sehen Sie aktuell noch Nachholbedarf?

Es scheint so, dass die verfügbaren Angebote noch nicht niedrigschwellig genug sind. In Kleinunternehmen wird der Arbeitsschutz oft noch als reine Unfallverhütung gesehen. Das ist zu wenig. Hier könnten niedrigschwellige Angebote sinnvoll sein. Diese müssen allerdings den spezifischen Bedarf treffen.

Digitale Assistenzsysteme für den Arbeitsschutz

Es gibt viele Software-Lösungen für spezifische Aufgabenbereiche, also bspw. digitale Gefährdungsbeurteilungen oder elektronische Unterweisungen. In welchen Bereichen sehen Sie aktuell noch Nachholbedarf?

Es scheint so, dass die verfügbaren Angebote noch nicht niedrigschwellig genug sind. In Kleinunternehmen wird der Arbeitsschutz oft noch als reine Unfallverhütung gesehen. Das ist zu wenig. Hier könnten niedrigschwellige Angebote sinnvoll sein. Diese müssen allerdings den spezifischen Bedarf treffen.

Digitale Assistenzsysteme für den Arbeitsschutz

Nachhaltigkeit als Ressourcensicherung

Unternehmer stehen inzwischen nicht mehr nur vor der Herausforderung, ökonomische Interessen mit einem sicheren Arbeitsumfeld in Einklang zu bringen – auch Nachhaltigkeitskriterien rücken zunehmend in den Vordergrund. Ganz allgemein gefragt, was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit in Unternehmen?

Nachhaltigkeit bedeutet in der ursprünglichen Definition, dass auch die nächsten Generationen noch eine lebenswerte Welt vorfinden. Für ein Unternehmen heißt das, dass mit den Ressourcen sorgsam umgegangen wird. Alle Unternehmensziele, Strukturen und Prozesse sind also auf Langfristigkeit ausgelegt.

Welchen Einfluss hat der Arbeitsschutz auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg?

Der sorgsame Umgang mit der Ressource „Mensch“ ist hier wichtig. Es muss sowohl gelingen, Arbeit so zu gestalten, dass sie bis zum Renteneintritt ausgeführt werden kann, als auch eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der „Gesundheit“ wichtig ist. Besonders dann ist das Unternehmen für jüngere Menschen von Interesse – und eine organische Personalstruktur gibt Zukunftschancen.

Nachhaltigkeit hat aber auch etwas mit Kompetenzaufbau zu tun. Beschäftigte müssen ihre Kompetenzen einbringen und erweitern können. Wissen ist etwas, was nicht weniger wird, wenn man es teilt – eine gute Basis für die Ressourcensicherung.

Worauf sollten sich die Verantwortlichen aus den Bereichen HSQE aus Ihrer Sicht stärker konzentrieren, um Nachhaltigkeit in der Arbeitssicherheit zu gewährleisten?

Wesentlicher Schwerpunkt ist die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Menschliche Arbeitskraft darf nicht verschwendet werden. Arbeitsbedingungen müssen also so gestaltet sein, dass Erschwernisse beseitigt werden.

Nachhaltiger Arbeitsschutz der Zukunft

Arbeitsschutz muss mit der Zeit gehen, um Angestellte effektiv schützen zu können. Worauf müssen sich Unternehmen schon jetzt vorbereiten, um zukünftig sicher und nachhaltig wirtschaften zu können?

Arbeitsplätze müssen im Hinblick auf menschliche Ressourcenverschwendung optimiert werden. Bereits in der Planung von neuen Arbeitsplätzen müssen Sicherheit und Gesundheit im Fokus stehen.

Was sind Ihre drei wesentlichen Trendthemen in der Arbeitswissenschaft?

Ein erstes Thema ist die Entwicklung von Planungsinstrumenten. Bereits bei der Neugestaltung von Arbeitssystemen sollen unterschiedliche Menschen berücksichtigt werden.

Dann spielt auch die Entwicklung von Kompetenzen eine Rolle. Gesundes Arbeiten muss gelernt werden. Umso wichtiger ist die gezielte Vermittlung, wie mit den eigenen Arbeitsmitteln und auch der Freiheit bei mobilem Arbeiten umzugehen ist.

Ein drittes Thema ist die Entwicklung von Assistenzsystemen. Hier geht es im Kern darum, wie beispielsweise maschinelles Lernen Dinge einfacher machen und den Menschen von Routineaufgaben entlasten kann. 

Kompetenzaufbau für Nachhaltigkeit im Unternehmen

Beschreiben Sie bitte in wenigen Sätzen, wie Arbeitsschutz in 20 Jahren funktionieren wird.

Das Denken in Risiken wird sich weiterentwickeln. Somit wird jeder überlegen, welche Folgen sein Tun und Handeln hat. Zu einer gesunden Lebensweise gehört eben auch eine gesunde Arbeitsweise.

Der betriebliche Arbeitsschutz wird sich von einer kontrollierenden zu einer gestaltenden Instanz weiterentwickeln, indem er sich aktiv in Planungsprozesse und generell das Change Management im Unternehmen einbringt.

Kompetenzaufbau für Nachhaltigkeit im Unternehmen

Beschreiben Sie bitte in wenigen Sätzen, wie Arbeitsschutz in 20 Jahren funktionieren wird.

Das Denken in Risiken wird sich weiterentwickeln. Somit wird jeder überlegen, welche Folgen sein Tun und Handeln hat. Zu einer gesunden Lebensweise gehört eben auch eine gesunde Arbeitsweise.

Der betriebliche Arbeitsschutz wird sich von einer kontrollierenden zu einer gestaltenden Instanz weiterentwickeln, indem er sich aktiv in Planungsprozesse und generell das Change Management im Unternehmen einbringt.

Vielen Dank, dass Sie uns einen Einblick in die Themen Arbeitsschutz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht gegeben haben.

Kennen Sie schon unsere Software-Lösung iManSys?

Sie möchten gerne mehr zu digitalen Assistenzsystemen erfahren, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Ihrem Unternehmen nachhaltig zu gestalten? Dann gehen Sie mit unserer ganzheitlichen HSQE Compliance-Management-Software iManSys den nächsten Schritt. Vom Kompetenzmanagement über die elektronische Unterweisung bis hin zum Risikomanagement unterstützt Sie unsere Software-Lösung bei allen Prozessen der Arbeitssicherheit. Weitere Informationen zum digitalen HSQE-Management mit iManSys finden Sie in unserem kostenfreien E-Book. Ein Blick hinein lohnt sich!

Der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber wird im Text das generische Maskulinum verwendet – gemeint sind damit immer alle Geschlechter.

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